KOHL Peter

kohlFoto.jpg

Auf den ersten Blick scheinen die Bilder von Peter Kohl an Zeichnungen von Kindern im Vorschulalter zu erinnern. Doch der täuscht. Kohl verarbeitet auf mehreren Ebenen das Thematisierte zu elaborierten Bildwerken. Das Kritzekratze der Strichmännchen, die fratzenhaften Gesichter, die Unmittelbarkeit des Ausdrucks oder die Expressivität der Linien erteilen in einer ergreifenden Schonungslosigkeit der physischen wie psychischen Gewalt aller Kleingeister eine Abfuhr. Mehr noch - es ist ein schrilles Revoltieren, gezeichnet, geschrieben gekratzt und gemalt. Die episodischen Schilderungen zeigen konkrete Ereignisse aus der Erinnerung oder aus der wahrgenommenen Umgebung. Sie sind Entäußerungen existentieller Befindlichkeiten, wie in Schandfleck, Der Greifer oder Schlangengrube oder kritische Kommentare zum medial verbreiteten Zeitgeschehen, wie in Im Haifischbecken oder Der Hirnabsauger.

Die gestische Spontanität, in der die Arbeiten gehalten sind, vermitteln den Eindruck des Skizzenhaften. Es sind Gedankenfetzen, schnell festgehalten. Die Figuren oder Akteure sind mit wenigen Strichen charakterisiert. Die schemenhaften Frauenbüsten variieren in Ausdruck und in der Farbe. Täter und Opfer sind deutlich unterschieden Geschlechtsmerkmale werden zu Insignien der Macht und der Obsession. Chimären alptraumhafter Phantasien bevölkern die Leinwand.

Immer wieder verwendet der Maler Beischriften, die am Rand der Bilder wie eingraviert den Titel des Bildes wiedergeben, ein wichtiges Datum markieren oder den gedanklichen Hintergrund für die dargestellte Szene vertiefen. Kreatur, Schweinepeter, Im Lügenwald versteckter Mensch, Ich Kohl 2006, Münchhausen hat einen Bruder, Zwischen deinen Schuhen, Mein bester Freund ist ein schwuler Engel, Auf der Kellertreppe haust meine Seele, diese kurzen Texte (sie evozieren beim Betrachter/Leser mitunter eigene Geschichten) geben neben den bildsprachlichen Äußerungen des Künstlers einen wichtigen Hinweis auf seine wortsprachlichen.
Kohl führt ein Skizzenbuch, das Gedanken zu einzelnen Bildern enthält, die dem Malprozess vorausgehen, aber auch das bereits fertige Bild zum Thema haben. Die gedanklichen Skizzen sind ergänzt durch zeichnerische, die zum Teil Entwürfe eventuelle Großformate festlegen. Das Schreiben ist hier als Sprachreflexivität zur Malerei zu sehen.

Eine weitere Ebene der Bilder Peter Kohls stellt der Malgrund respektive Zeichengrund, das Farbfeld dar. Dieses entsteht rein aus der Emotion ohne rationale Kontrolle. Ähnlich wie beim automatischen Schreiben in seinem Skizzenbuch lässt sich Kohl hier von den Farben leiten. Mittels dieses Farbfeldes schafft der Künstler eine weitere Stimmungsebene für die skizzierten Geschichten. Ähnlich wie in der Ikonographie seiner Zeichen verwendet der Künstler bestimmte Farben für bestimmte Empfindungsmomente. Das grelle Grün ist aggressiv schmerzlich, böse. Die Farbe Weiß besänftigt, legt einen Schleier auf etwas Abgeschlossenes. Erdige, warme Farbtöne wie Rotbraun, Ocker, Beige geben dem Grund Tiefe, Gesetztheit. Türkis und grelles Rosa sind dagegen aggressiv besetzt. Der Umgang ist hier jedoch entscheidend, denn Kohl geht nicht verschwenderisch oder mit Farbwucht über die Leinwand. Viel mehr setzt er subtil hier oder dort ein grelles Grün oder ein dezent platziertes Pink.

Der Gestaltungsprozess ereignet sich jenseits der gestellten Aufgabe in einer automatischen, von Gefühlen geleiteten Umsetzung. Jenseits von rationaler Kontrolle übernimmt, nach Peter Kohl, der freie Strich und die meditative Farbgestaltung den expressiven Charakter der konkreten wie abstrakten Ebenen seiner Arbeit. In einem Rückzug, in seinem Schutzkeller, schafft der Künstler seine Wirklichkeit neu.

Daphne M. Gerzabek-Tsukalas
ww.studiolodarte.com